SYMBOLIK
Am nördlichen Kopf der Alten Steinbrücke am Neustadtplatz finden sich zwei Gedenktafeln in der Wiese, vielleicht stehen Sie ja gerade davor. Zweisprachig verweisen die Platten auf den Symbolgehalt, der diesem Bauwerk zugesprochen wird. Immerhin hat die Brücke, eine der ältesten Steinbrücken Europas, mehr als 800 Jahre wechselvoller Geschichte überstanden. Bis heute steht sie als eines der wenigen erhalten gebliebenen mittelalterlichen Bauwerke und schöner als je zuvor. Ihre endgültige Zerstörung konnten US-amerikanische Soldaten im Frühjahr 1945 in letzter Minute gerade noch verhindern...
Die Alte Elsterbrücke zu Plauen in ihrem heutigen Glanz.
Die Gedenktafeln in deutscher und englischer Sprache.
EIN ENTSCHEIDENDER TAG
Es war an jenem 16. April 1945, an dem die 87th Infantry Division der 3. US-Army Plauen erreicht hatte und nach einem langen Marsch durch die fast völlig zerbombte Innenstadt nachmittags hier am Neustadtplatz ankam. Die Stadt war nach insgesamt 14 Luftangriffen alliierter Bomberverbände, zuletzt nur wenige Tage zuvor am 10. April, weitgehend zerstört, die Lage unübersichtlich.
Thomas L. Stafford, Platoon-Leader in der L-Kompanie im 347. Infanterie-Regiment der 87. Infanterie-Division schreibt in seinen Aufzeichnungen: „Während unseres Vorrückens beobachteten wir, dass die meisten Gebäude in der Stadt schwer beschädigt waren, von vielen standen nur noch ein paar Mauern, andere waren völlig zerstört. Die Mehrheit der Straßen – viele mit Bombenkratern – war nahezu unpassierbar ...“
Einmarschierende Soldaten der 87. Infanterie-Division
am 16. April 1945 auf der Bahnhofstraße in Plauen.
(Foto: Archiv A. Bräuer)
Die Truppen erreichen am Nachmittag
den stark zerstörten Neustadtplatz,
einst Teil des pulsierenden Zentrums der Stadt.
(Foto: Archiv A. Bräuer)
DRAMATISCHE MOMENTE
Während des Einmarsches des ersten Zuges, vermutlich noch auf der Pausaer Straße im Norden Plauens, erreichte den Kommandeur der L-Kompanie, Capt. Kidd, die Nachricht eines Spähflugzeuges, das augenscheinlich Vorbereitungen zur Sprengung der Alten Elsterbrücke beobachten konnte. Sergeant Staffords 2. Platoon wurde per Funk zur Verstärkung heran beordert und erhielt gleichzeitig Unterstützung durch Teile einer Panzereinheit.
„An der Brücke angekommen sahen wir einige deutsche Soldaten am gegenüberliegenden Ende. Es stellte sich heraus, dass sie immer noch mit den Vorbereitungen zur Sprengung der Brücke beschäftigt waren. Ich platzierte je einen Panzer auf jeder Seite unseres Brückenendes und unter den Kanonenschüssen der Panzer marschierten meine Männer und ich über die Brücke, in der Hoffnung, die Sprengsätze zu entschärfen, bevor sie explodierten“ beschreibt Stafford die Ereignisse.
Es gelang ihnen. Das Gelände jenseits der Brücke konnte die Einheit anschließend problemlos sichern, einige der deutschen Soldaten wurden auf der Flucht gefangen genommen.
In der Eile, die Brücke vor der Sprengung zu bewahren, verzichtete Stafford darauf, zunächst die Gebäude im Umfeld zu kontrollieren, was beinahe ein fataler Fehler gewesen wäre. Erst eine später eintreffende Einheit unter Second Lieutenant Ray Stender stellte in unmittelbarer Nähe in den Kellern eines Gebäudes deutsche Soldaten und Offiziere, die offenbar die Amerikaner aufhalten sollten. Dass sie nicht eingegriffen hatten, verhinderte Schlimmes.
Quellenlage:
Diesen Schilderungen liegen zugrunde die Aufzeichnungen sowie mündliche Überlieferung von Thomas L. Stafford. Weitere den Autoren vorliegende Zeitzeugenberichte bzw. -Überlieferungen verifizieren ein entsprechendes Ereignis am 16. April 1945.
Bericht von Thomas Stafford nachzulesen hier: Externer Link zur Website der 87th Infantery division.
DIE EHRUNGEN
Dem damaligen Platoon-Führer Stafford ließ diese Aktion ein Leben lang nicht ruhen. Kaum war die Mauer gefallen, zog es den Kriegsveteran mehrmals nach Plauen, das erste Mal bereits Anfang 1990 zusammen mit seiner Frau Gayla. Zu einem richtigen Spektakel wurde sein (bisher) letzter Besuch im Jahre 2010. Auf Einladung der Organisatoren des LIBERTY CONVOYS, einer dreitägigen Gedenkfahrt durch das Vogtland, war er neben vier seiner ehemaligen Kameraden der 87th ID gefeierter Gast.
An jenem 16. April 2010 wurde der Befreiung der Stadt 65 Jahre zuvor gedacht und an einem historischen Mauerstück auf dem Neustadtplatz eine Gedenktafel enthüllt.
In der Zeremonie vor hunderten Zuschauern besichtigten die Veteranen sowie hochrangige Gäste, unter ihnen die damalige Generalkonsulin der USA in Leipzig, Kathrine Brucker, die Brücke.
Die beiden heute vor dem Brückenkopf liegenden Gedenktafeln entstanden im April 2015 im Rahmen einer LIBERTY CONVOY Gedenkveranstaltung. Damals, 70 Jahre nach Kriegsende fand direkt auf der Brücke ein Festakt statt im Beisein des US-Konsuls Robert Gatehouse sowie von Sgt. Major Karl Brunell, Repräsentant der US-Streitkräfte in Deutschland. Interessanter Gast war außerdem Alan Bonde aus den USA. Er reiste auf den Spuren seines Vaters nach Deutschland und war einer Einladung nach Plauen gefolgt. Er überließ dem LIBERTY CONVOY Bildmaterial seines Vater Ed Bonde, der als Mitglied des 312. Engineer Batallion in jenen Tagen nach der Befreiung in der Region und unter anderem auch in Plauen zahlreiche Fotos machte.
Im Dezember 2015 wurden in Zusammenarbeit mit der Stadt Plauen die beiden Gedenktafeln auf die Steinplatten montiert. Dies ist insbesondere mit zu verdanken dem Förderverein Komturhof Plauen e.V. sowie der Bürgerstiftung Plauen.
Anlässlich des LIBERTY CONVOY im April 2010
wurde eine Gedenktafel am Neustadtplatz angebracht
und erinnert seither daran, dass die US-Armee
Plauen und das Vogtland von Krieg und Naziregime
befreit hatten.
LIBERTY CONVOY 16. April 2010:
Mit einem Aquarell des Künstlers Andreas Claviez
auf der alten Steinbrücke: die US-Veteranen Tom Stafford,
Eldon Gracy, Jesse Bowman sowie Gene Garisson und
Tom Burgess (beide nicht auf dem Foto) zusammen mit Kathrine Brucker, Generalkonsulin der USA in Leipzig.
Festakt im April 2015 auf der Alten Elsterbrücke.
Zu Gast u.a. Alan Bonde (im hellen Hemd).
Dieses Foto vom Neustadtplatz nach dem Krieg lässt die dichte städtische Bebauung erkennen, die für das Stadtzentrum typisch war.
Foto: Archiv Hager
Heute sind lediglich noch die Mauern vorhanden, an der einst
die Straße zum Schloss hinauf abzweigte.
Auch wenn rückblickend in den Momenten des 16. April 1945 die Bewahrung der Brücke vor ihrer Sprengung letztlich keine besondere militärische Bedeutung hatte, so ist doch für Plauen der Erhalt der Alten Steinbrücke ein großer Glücksfall. Nicht nur, dass das Bauwerk noch bis in die 1970er hinein von besonderer verkehrstechnischer Bedeutung war, bis der Neubau nebenan entstand. Vielmehr hat sich in den letzten Jahren dieser Teil des Stadtzentrums zu einem lebendigen und historisch beachtenden Aufenthaltsraum entwickelt. Im Zusammenspiel von Rähme, Komturhof und Schloss gibt der Ort heute wieder einen kleinen Eindruck vom mittelalterlichen Glanz Plauens.